1500 Gstanzln aus Wien und Umgebung
Ernst Weber
ISBN: 978-3-900000-00-4
21×15 cm, 368 Seiten, m. Abb., Notenbeisp., Hardcover + Beilage: 1 Audio-CD
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Kurzbeschreibung
Auf alten Liedflugblättern, in Liedsammlungen, in den Aufzeichnungen der Volksliedarchive und auf historischen Tonaufnahmen ist die Praxis des Gstanzlsingens in Wien dokumentiert. Aus diesen Quellen hat Ernst Weber eine abwechslungsreiche Sammlung zusammengestellt, die nun als CD und in Buchform erschienen ist. Die CD dokumentiert in 25 historischen Schellackaufnahmen aus den Jahren 1905 bis 1932 die Gesangsstile der Interpreten der Vergangenheit.
Humorvolle bis besinnliche Vierzeiler aus den verschiedensten Sozialschichten, auf sehr unterschiedlichen Sprachniveaus: vom gepflegten Wienerisch des Bürgertums bis zum Jargon der Wiener Halbwelt, vom urigen Dialekt der Wiener Umgangssprache bis zur ländlichen Mundart am Rande der Stadt und vom „Jiddeln“ der jüdischen Kabarettisten bis zum „Böhmakeln“ der ehemaligen Zuwanderer aus dem Norden.
Ein Blick in die musikalische Vergangenheit der Stadt zeigt, dass neben den Wienerliedern und der Schrammelmusik auch die Gstanzln im Volksmusizieren ihren Platz hatten. Scherz- und Spottgesänge sowie auch kritische Kommentare zu den aktuellen Ereignissen und Lebensumständen gehörten zum ständigen Repertoire der Volkssänger auf den Brettelbühnen, der Gesangskomiker in den Varietétheatern und der Stegreifsänger in den Heurigenensembles der Buschenschänken. Aus dem Umfeld der Stadt, den ehemaligen ländlichen Vororten und den Randgemeinden, stammen unzählige Gstanzlstrophen, die man auch aus dem alpinen Raum kennt, und die jüdische Jargonkomik der Zwischenkriegszeit fand in den Gstanzln ihren besonders originellen Ausdruck.
In Wien bedienten sich die Volkssänger des 19. Jahrhunderts immer schon dieser Form, um ihre humorvollen, spöttischen und auch zeitkritischen Aussagen zu vermitteln. Zunächst waren es die Veranstaltungssäle der Vorstadtwirtshäuser, später dann die Tingel-Tangel-Bühnen, die Vergnügungs-Etablissements, Singspielhallen und Varietétheater, in denen die Volkssänger, die Lokalsängerinnen, Brettlprimadonnen, Gesangskomiker oder Vortragssoubretten ihre Lieder, Duette, Couplets und Gstanzln vortrugen. Die Gstanzln hatten auch in den Volksstücken der Wiener Theaterbühnen ihren traditionellen Platz. Die Volksmusikensembles der Heurigenlokale in den Vororten hatten schließlich neben den instrumentalen Ländlern, Tänzen und Märschen auch sehr publikumswirksame Gesangseinlagen anzubieten. Zu den Duettisten, Jodlern oder Walzersängern gab es meist auch einen Stegreifsänger oder einen Heurigenkomiker, zu dessen Repertoire auch selbst erfundene oder überlieferte Gstanzln zählten.
Rezensionen
Nicola Benz: [Rezension]„Linz is a Stadtl,
Wien is a Stadt,
Z Linz essen sie s Bratl,
Und z Wien in Salat.“ (Nr. 246)
Wien ist einfach anders – nicht nur in seinen Liedern, sondern auch in seinen Gstanzln, die sich in vielen Punkten von den alpenländischen unterscheiden. Ernst Weber zeigt in seinem Gstanzlbuch in eindrucksvoller Weise die Vielfalt dieser Liedgattung in Wien und Umgebung in 39 Abschnitten auf.
In einem informativen Vorwort wird man in die Geschichte des Gstanzls in Wien eingeführt. Der Leser erfährt etwas über die Form der Gattung und die Verwendung des Terminus „Gstanzln“. Neben den textlichen Eigenheiten erfährt man auch Interessantes über Melodievarianten. Sie sind in der Stadt zahlreich, denn die Wiener Interpreten haben immer wieder neue Melodien zu den Versen erfunden. Im Anhang listet der Autor insgesamt 42 ausgewählte Gstanzlmelodien auf, die einstimmig abgedruckt sind. Zu jeder Melodie führt Ernst Weber ein Beispiel an nebst einer kurzen Erklärung der Melodie und deren Gebrauch. Die insgesamt 1.500 Gstanzln wurden aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Neben Druckwerken wie Liedflugblätter, Volksausgaben, Klaviernoten und Liedsammelbänden wurden von Weber Liedsammlungen von Volksliedforschern in den Volksliedarchiven durchgesehen, historische Tonaufnahmen von Schellacks durchgehört und transkribiert und aus mündlicher Überlieferung aus Perchtoldsdorf stammende Gstanzln aufgezeichnet. Es wurden Gstanzln abgedruckt, die in Wien entstanden sind und solche, die nachweislich in Wien gesungen wurden. „Es kann also diese Sammlung von Texten in ihrer Mischung aus städtischem und ländlichem Kulturgut ein gutes Bild der Stadt Wien in ihrer Gesamtheit bieten“ (S. 14).
Die Gstanzln, gegliedert in 39 Themenblöcke, zeigen einen wunderbaren Querschnitt durch das Kultur- und Gesellschaftsleben der Stadt Wien. Die einzelnen Themen werden mit Gstanzlzitaten wie „Ich sing jetzn Gstanzln, schrei lustig hallo“, „Im Parlament tan s wieder singen“, „A Fiaker bin i, das is net erlogn“, „Der Adam und d Eva haben s Lieben erdacht“, „Mir haben schöne Möbeln, die Bettstatt mit Strick“ oder „Der Glaube macht selig, der Haring macht Durst“ überschrieben und mit einem köstlichen, zum Thema passenden Photo von Franz Hubmann illustriert. Die einzelnen Gstanzln wurden durchnummeriert und durch eine nachstehende Nummer in Klammer einer Quelle zugeordnet, die ihre Entsprechung im Quellenverzeichnis findet. Ein Stern vor dem Gstanzl verweist auf die beiliegende CD. In Fußnoten werden einzelne zeitgeschichtliche Ausdrücke und Personen erklärt, die im Gstanzl vorkommen. So sind die 341 Fußnoten alleine schon eine äußerst spannende Lektüre, da man viel Alltagsgeschichtliches über Wien, zu Veranstaltungen und Begebenheiten in der Stadt sowie biografische Daten zu vielen Personen erfährt.
Dem Textteil folgen die bereits erwähnten 42 Melodien. Anschließend hat Ernst Weber ein Altwiener Glossar zusammengestellt, in dem er die wichtigsten Wiener Ausdrücke erklärt, mit einer zusätzlichen Übersicht über die in den Gstanzln verwendeten Ausdrücke aus dem Sexualbereich. Die Quellenangaben sind mit einem Abkürzungsverzeichnis der Institutionen versehen. Zusätzlich hat Weber die einzelnen Quellen einer zeitlichen Einordnung unterzogen. Eine genaue Datierung der Gstanzln ist nur in manchen Fällen möglich, daher ist „ist eine Zuordnung zu größeren Zeitepochen angegeben: (A) 1800–ca. 1870, (B) ca. 1870–1918, (C) 1918–1945, (D) nach 1945“ (S. 353). Selbstverständlich ist in diesem Verzeichnis auch der Verweis zu den einzelnen Melodien ersichtlich.
Für die beiliegende CD hat Ernst Weber interessante Beispiele historischer Schellackaufnahmen aus den Jahren 1905 bis 1932 ausgewählt. Insgesamt 25 Tracks machen die abgedruckten Textbeispiele lebendig. Man bekommt eine akustische Vorstellung davon, wie die Gstanzln gesungen wurden. Es sind u.a. Aufnahmen von den Sängern Max Jauner, Karl Huber, Brüder Matauschek, Hansi Führer, Armin Berg und Franz Mika mit Instrumentalbegleitung. Auch wenn die Aufnahmen teilweise technisch nicht perfekt sind, stellen sie doch wichtige Zeitdokumente dar, die Aussagen zu Interpretation und Begleitung ermöglichen.
Ernst Weber ist mit diesem Gstanzlnbuch ein wichtiges Werk zur Geschichte der Musik in Wien gelungen, das dieser Textgattung erstenmals eine übersichtliche und informative Betrachtung schenkt. Die Vielzahl der Quellen, die Weber dafür gesichtet hat, ist beeindruckend. Vor allem der Überblick über die verschiedenen Melodien und die Fülle an Beispielen unterscheiden diese Publikation von anderen Veröffentlichungen dieser Art. Sie stellt so für die Wissenschaft ein Nachschlagewerk und für alle Gstanzlsänger eine interessante Fundgrube dar. Man vermisst lediglich ein Textincipit-Register sämtlicher Gstanzln, die in der Publikation vorkommen. Die beiliegende CD macht diese Publikation zu einem gelungenen Gesamtwerk.
„Die Gsangl san gsunga
Und das Geld is vertan,
I moanat, hiazt fang ma
Von vurn wieder an.“ (Nr. 1500)
(Nicola Benz, Rezension im Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes, 53./54. Jg.: 2004/05, S. 402 f.)
Susanne Schedtler: [Rezension]
Hans Peter Falkner (bekannt als einer der Attwenger Musiker) begann 1996 den „Gstanzl-Boom“ mit den 1234 Gstanzln (1996) und 567 Gstanzln (1999), in denen er oberösterreichische Vierzeiler, Schnaderhüpferl, Landla oder Gstanzln vorstellte. Die Reihe setzt nun Ernst Weber mit Wiener Gstanzln fort. Anders als bei Falkner befinden sich auf der beigefügten CD ausschließlich historische Schellackaufnahmen von Gstanzln aus den Jahren 1905–1932 aus dem umfangreichen privaten Tonarchiv Webers, unter anderem Aufnahmen mit Armin Berg, den Brüdern Matauschek, Hansi Führer und Franz Mika.
Das Buch ist in 39 Abschnitt gemäß der Thematik der Texte aufgeteilt und soll einen „Querschnitt durch das Kultur- und Gesellschaftsleben der Stadt Wien“ bieten. Ziel des Gstanzl-Spottes sind unter anderem Wein, Weib, Gesang, Berufsstände, Erotik, die Liebe, die „Fremden“ und die Politik, Ländliches und Städtisches. 42 ausgewählte und kommentierte Gstanzlmelodien im Anhang und ein „Altwiener Glossar“ runden die Sammlung der 1500 Gstanzln ab, die folgerichtig mit „Ich sing jetzt Gstanzln, schrei lustig hallo“ beginnt und mit „Die Gsangl san gsunga“ endet.
Das Buch ist zum Schmökern geeignet, weniger zum systematischen Recherchieren, da ein Register das ohnehin fast 400 Seiten starke Buch wahrscheinlich gesprengt hätte. Weber hat in diversen Wiener und Niederösterreichischen Archiven recherchiert, nur nicht im Archiv des Wiener Volksliedwerkes – was ein wenig irritiert, da doch gerade dieses Archiv diesbezüglich einiges zu bieten hätte… Aber für's erste reichen natürlich 1500 Gstanzln, die Liebhaber der traditionellen Spott-Vierzeiler sicher begeistern werden.
(Susanne Schedtler, Rezension in: Bockkeller. Die Zeitung des Wiener Volksliedwerks, 10. Jg., Nr. 3., September 2004, S. 7)
https://www.wienervolksliedwerk.at/downloads/bockkeller-04-3.pdf#page=7
Birgit Gabler: [Rezension]
Die CD „1500 Gstanzln aus Wien und Umgebung“ eröffnet dem forschenden Geist sämtliche Details über das Wesen und Unwesen des Gstanzlsingens. Im klassischen Schellacksound sind hier humorvolle bis besinnliche Vierzeiler aus den verschiedenen Sozialschichten auf sehr unterschiedlichen Sprachniveaus zu hören. Dabei bekommt man Amüsantes und schwerstens Entbehrliches serviert, handelte es sich beim Zielpublikum doch meist um Männer in fortgeschritten-alkoholisiertem Zustand. In 25 historischen Schellackaufnahmen aus den Jahren 1905 bis 1932 dokumentiert die CD Gesangsstile von Interpreten der Vergangenheit. Es wird nur ein kleiner Ausschnitt der Vielfalt des Gstanzlsingens aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gezeigt. Es dominieren die Natursänger der vorwiegend in den Heurigenlokalen tätigen Volksmusik-Ensembles. Der CD ist ein Büchlein beigefügt, das neben ausführlichen Informationen auch noch ein Vorwort des Co-Herausgebers HP Falkner beinhaltet.
Wer’s allerdings genau wissen will, dem sei das Buch „1500 Gstanzln aus Wien und Umgebung“ empfohlen. Hierin finden sich tatsächlich die 1500 Gstanzln – gesammelt von Ernst Weber. Von den Herausgebern Agnes Pils und HP Falkner wurden sie in ein 368 Seiten starkes Buch gepackt. Ergänzt durch 42 ausgewählte Gstanzlmelodien, einem Altwiener Glossar und dem oben erwähnten Tonträger ist es das Standardwerk für Hardcore-Gstanzln-Freaks schlechthin.
(Birgit Gabler, Rezension in: Concerto #6/2003, S. 46)